Alex:“Ich hab’n neues Rad. Lust auf ne Runde?“
Svepo:“Klar. Wohin geht’s?“
Alex:“Davos. Nächsten Sonntag.“
Svepo:“Bin dabei.“
Und so kam es, dass ich kaum zwei Wochen nach der Alpenüberquerung wieder mit dem Mountainbike im Kofferraum auf dem Weg in die Berge war.
Doch bevor es losgeht, erstmal Musik anmachen:
Tag 1: Von Davos zur Keschhütte
Früh morgens nach Davos gehuscht und im aufziehenden Regen in die Berge aufgebrochen. Bis Dürrboden geht es moderat, dann wird es steil. Um die Gipfel wehen Wolken. Regen verdünnt das Salzrinnsal an meinen Schläfen und kühlt. Vom Pass her frischt der Wind auf. Es wird kalt. Als nur noch Schieben hilft sind es noch einige Höhenmeter bis zum Pass. In der Schutzhütte warten wir auf Besserung, dann entscheiden wir uns für den Höhenweg in Richtung Keschhütte. Nicht zum Nachmachen empfohlen: Der Weg ist stark verblockt und der Blick fällt immer wieder sehnsuchtsvoll auf den frisch präparierten Trail hinunter ins Tal. Dafür sparen wir uns den Anstieg.
Die Keschhütte liegt sensationell am Gletscher und aus den großen Panoramafenstern fällt der Blick in die regenreiche Dämmerung und den wolkenverhangenen Piz Kesch.
Tag 2: Von der Keschhütte nach Arosa
Der Wetterbericht hält Wort und unerwartet wolkenlos präsentiert sich der junge Tag. Vor uns liegt eine königliche Etappe: fast 3000 Höhenmeter bergab, großteils auf wunderbaren Trails! Direkt vor der Hütte beginnt die Abfahrt. Das Rad gleitet leicht und sicher über die großen und kleinen Steine auf dem Weg. Die Sonne taucht das Hochtal in goldenes Licht, leicht läuft der Atem. Es geht so schnell bergab, dass schon die Baumgrenze erreicht ist. Die Steine auf dem Weg weichen dunkelbrauner Erde. Wiese folgt auf Erde, upps, ein verborgener Stein zwingt zum unfreiwilligen Abstieg. Trickot gerade ziehen, aufsitzen, weiter. Schotter folgt auf Wiese. Asphalt folgt auf Schotter. Schon 90 Minuten brausen wir ins Tal. Ein kurzer Anstieg lässt und wieder auf dunkelbrauner Erde hinab gleiten. Schotter, Asphalt, Schotter, nasse Wurzeln, Erde, Wiese, Schotter: dann sind wir unten. 1800 Höhenmeter Abfahrt liegen hinter uns. Glücklich schalten wir in die niedrigen Gänge, stellen den Sattel hoch und schieben einen Riegel in den Mund.
Das Thermometer zeigt 30°C und als wir in die Pedale treten liegt die Steigung bereits bei 13%. In harter Arbeit kämpfen wir uns Kurbelumdrehen für Kurbelumdrehung 1600 Meter in die Höhe. Zwar wird es langsam kühler, dafür nimmt die Steigung nicht ab. Über den Gipfeln sammeln sich Wolken, der Wind frischt auf.
Müde sitzen wir vor einer Almhütte und genießen eine Linzertorte aus dem Holzofen. Wunderbar. Auf der Leine trocknet die Bettwäsche. Weit hinten erkennen wir den Piz Kesch an dessen Fuß wir heute Morgen aufgebrochen sind.
Noch fehlen einige hundert Höhenmeter bis wir die Furcletta erreicht haben. Schon beim Blick über den Pass wird mir klar, warum Alex mit leuchtenden Augen von dieser Abfahrt berichtet hat. Ein langes sanft abfallendes Tal erwartet uns mit einem unglaublichen Trail.
Für eine lange Zeit gibt es nichts anderes als geschickt dem Pfad zu folgen, Hindernissen auszuweichen um im gleichmäßigen Rhythmus um die Kurven zu gleiten. Radlers Glückseeligkeit.
Tag 3: Von Arosa nach Davos
Nachts erleuchten Blitze das Zimmer. Donner rollen durch das Tal. Regen schlägt gegen das Fenster. Am Morgen hängen die Wolken tief im Tal. Es ist kühl, aber trocken, als wir die Räder aus dem Keller holen. Nach einer schwungvollen Abfahrt wandern die warmen Sachen schnell wieder in den Rucksack. Es wird wieder steil. Kurve um Kurve lassen wir das Tal unter uns. Nach einem malerischen Bergdorf wird der Pfad schmal und führt den Hang entlang leicht nach oben. Bald geht es steil hinunter; technisch anspruchsvoll und nicht leicht zu fahren über feuchte Steine und durch enge, nasse Kurven. Im Tal beginnt es zu regnen. Am Talende hilft keine Fahrkunst: in steilen Serpentinen führt der Pfad zum Strelapass hinauf. Das Rad geschultert und Schritt für Schritt voran! Dicke Regentropfen laufen über das Gesicht und durchnässen die Kleidung.
Frierend erreichen wir die Hütte auf dem Strelapass. Ein großer Teller Spaghetti lässt den Unternehmungsgeist wieder aufwachen und wir folgen dem Höhenweg zur Chörbschhütte. Alex hatte ein Video gesehen, auf dem es weitestgehend bergab ging. In der Realität waren die letzten Kraftreserven notwendig, um die Steigungen zu überwinden.
Kaum haben wir die Hütte hinter uns gelassen, hat Alex eine Reifenpanne. Dunkle Regenwolken treiben über die Gipfel, als die Luftpumpe bereits das zweite Ventil frisst. Eine grandiose Fehlkonstruktion. Doch hier oben droht ein langer Fußmarsch mit Rad, wenn wir nicht mit dem letzten Ventil erfolgreich den Reifen befüllen können. Die Spannung steigt. Unser Aufenthalt hat mittlerweile auch die Aufmerksamkeit der hier ansässigen Kühe auf sich gezogen. Neugierig stehen sie mit bimmelnden Glocken um uns herum und lutschen genussvoll an meinem Rad. Nur nicht aus der Ruhe bringen lassen. Mit Fingerspitzengefühl bekommen wir den Reifen wieder flott und verlassen die erstaunten Kühe.
Weiter geht es auf einem schmalen Pfad direkt auf dem Bergrücken zunächst moderat dann steil und recht anspruchsvoll hinunter. Immer wieder verschwindet der Weg hinter den Graskuppen und gibt den Blick auf tiefer gelegene Almen frei.
Die letzten Höhenmeter rauschen wir eine geschwungene Straße ins Tal, dann folgen wir dem Bach zurück nach Davos.